Kiefergelenkerkrankungen – wenn der Biss krank macht

Kiefergelenkerkrankungen sind oft die Ursache für körperliche Schmerzen – der Zahnarzt hilft

Viele Menschen, die regelmässig von Kopf-, Nacken und Rückenschmerzen geplagt werden, haben einen langen Leidensweg hinter sich, da der Zusammenhang mit Kiefergelenkerkrankungen den Wenigsten bewusst ist: Abbeissen, Kauen, Sprechen oder Gähnen – schon kleine Störungen bei der täglichen Schwerstarbeit können sich vom sensiblen Kiefergelenk auf andere Körpergewebe übertragen.


Verantwortlich für die Funktionsstörungen sind neben dem Zähneknirschen auch Zahnfehlstellungen, schlecht sitzender Zahnersatz oder orthopädische Probleme. Vielen Patienten kann letztendlich beim Zahnarzt geholfen werden – nicht selten nach einer langen Odyssee durch unterschiedliche Arztpraxen. Wird vom Zahnarzt eine CMD festgestellt, reicht oftmals schon eine einfache Zahnschiene zur Verbesserung der Beschwerden aus.



CMD: kleine Ursache, grosse Wirkung

Die unterschiedlichen schmerzhaften und nicht schmerzhaften Fehlfunktionen der Kiefergelenks- und Muskelfunktionen werden unter dem Begriff CMD zusammengefasst. Die Bezeichnung CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion) leitet sich ab von Cranium (Schädel), Mandibula (Unterkiefer) und Dysfunktion (Fehlfunktion). Bei einer CMD beissen Unter- und Oberkiefer nicht korrekt aufeinander, wodurch eine mehr oder weniger starke Schieflage der Kiefer entsteht.


Durch komplizierte knöcherne, muskuläre und nervliche Strukturen sind die Kiefergelenke mit dem gesamten Körper verbunden: Kiefergelenkerkrankungen können dadurch bei Fehlregulationen Beschwerden selbst in entfernten Körperregionen auslösen und umgekehrt. Die Behandlung einer CMD sollte daher möglichst immer einen interdisziplinären medizinischen Anspruch haben.


Formen einer CMD

Drei Hauptgruppen werden unterschieden, die durchaus auch kombiniert auftreten können:


1.  bewegungsabhängige oder dauerhafte Schmerzen in der Kau- und Nackenmuskulatur, die den Unterkiefer bewegt

2.  krankhafte oder abnutzungsbedingte Veränderungen der Kiefergelenke (Arthrose, Wachstumsstörungen, chronische Entzündungen)

3.  eingeschränkte Beweglichkeit oder Fehllage der Knorpelscheibe im Kiefergelenk


Symptome einer CMD

Bedingt durch die enge Verbindung von Kaumuskulatur und Rückenmuskulatur ergeben sich zahlreiche Symptome, die durch eine Kiefergelenkerkrankung hervorgerufen werden können:


1.  Bruxismus (Zähne knirschen/Zähne pressen), besonders nachts

2.  Schmerzen und Knacken im Kiefergelenk

3.  Schmerzen beim Kauen und/oder beim Öffnen und Schliessen des Mundes

4.  abgeschliffene Zahnhöcker, Defekte an den Zahnwurzeln

5.  Schmerzen und Bewegungseinschränkungen in Kopf, Nacken, Rücken und Beckenbereich, Gliederschmerzen

6.  Ohrgeräusche (Tinnitus)

7.  Ohrenschmerzen (deshalb wird häufig der HNO-Arzt aufgesucht)

8.  Schwindelgefühle

9.  Sehstörungen

10.  Schlafstörungen

11.  Schluckbeschwerden

12.  Räuspern, Halsschmerzen, unklare Kieferhöhlenbeschwerden

13.  Taubheitsgefühle und Kribbeln in den Fingern


Ursachen von Kiefergelenkerkrankungen

Die Kiefergelenke verbinden den Unterkiefer auf beiden Seiten mit dem Schläfenbein. Das Kiefergelenk als Doppel-Dreh-Scharniergelenk ist unser vielseitigstes Körpergelenk, da es sowohl Dreh- als auch Gleitbewegungen ermöglicht. Aufgrund ihrer Komplexität sind die Kiefergelenke deshalb entsprechend störanfällig.


Was die Gelenke und die Kaumuskulatur stark beansprucht, ist der hohe Druck durch lang anhaltendes Zähneknirschen (Bruxismus) oder Zähne zusammen beissen – meistens unbewusst und in persönlichen Belastungssituationen, wenn psychischer Druck über die Zähne abgeleitet wird. Zahnfehlstellungen, neue oder schlecht sitzende Zahnkronen und Zahnbrücken oder zu hohe Füllungen können einen schiefen Biss verursachen, da Ober- und Unterkiefer nicht exakt aufeinander beissen.


Wie bei einem Dominospiel setzt sich diese Schieflage der Kiefer dann nach oben und/oder unten fort und bewirkt damit Beschwerden selbst in weit entfernten Körperregionen. Umgekehrt überträgt beispielsweise ein Beckenschiefstand nach oben hin die Abweichung der Halswirbelsäule auf die Kiefergelenke und führt dadurch zu Kiefergelenkerkrankungen wie CMD oder Kiefergelenkarthrose.


Weitere Ursachen für Kiefergelenkerkrankungen sind Entzündungen (bakterielle Infektionen, Arthritis), Verletzungen, Tumore sowie Entwicklungsstörungen. Während eine Arthrose meist erst in höherem Alter in vorgeschädigten Kiefergelenken entsteht, schmerzt die Kiefergelenkarthritis (Entzündung auf Grundlage einer rheumatischen Grunderkrankung) schon in einem frühen Stadium.


Diagnose der CMD

Bevor die richtige Diagnose gestellt wird, vergehen oft Jahre, in denen Patienten von ihren Fachärzten vergeblich therapiert werden. Noch dazu sind die möglichen Zusammenhänge häufig nicht bekannt und auch Ärzte behandeln Schmerzen und andere Erkrankungen nicht immer in ihrer Gesamtheit. Bei jedem Verdacht auf eine CMD sollte daher ein dafür spezialisierter Zahnarzt konsultiert werden.


Während einer klinischen Funktionsanalyse erfolgen die ausführliche Untersuchungen von Zähnen, Kiefer, Kiefergelenken und Muskulatur sowie die Anfertigung von Röntgenaufnahmen. Bei der instrumentellen Funktionsanalyse werden die Kiefergelenke exakt vermessen sowie Abdrücke und anschliessend Modelle der Kiefer angefertigt.


Die Bewegungsbahnen und Gelenkpositionen des Unterkiefers lassen sich mithilfe eines speziellen Aufzeichnungsgerätes (Axiograph) genau protokollieren. Diese Messwerte werden auf einen Artikulator übertragen, der die Kaubewegungen simuliert und so lange verändert werden kann, bis die optimale Bisssituation gefunden ist.


Therapie einer Kiefergelenkerkrankung

Ist eine CMD festgestellt worden, reicht oftmals eine Aufbissschiene zur Behandlung aus. Die transparente Kunststoffschiene wird anhand der Kieferabdrücke sowie der Artikulatorsimulation individuell hergestellt und wird in der Regel am Unterkiefer eingesetzt. Die Schiene schützt Zähne und Kiefer vor zu hohem Druck beim Aufeinanderbeissen und kann zudem die Stellung des Kiefergelenks günstig beeinflussen.


Die Zahnschiene wird in der Regel nachts ge, kann bei Bedarf und entsprechender Gestaltung auch durchaus tagsüber im Mund bleiben. Die hohe Erfolgsrate der Schienentherapie konnte in Studien gut belegt werden. Zusätzlich sind Massagen der verspannten Kaumuskulatur im Rahmen einer Physiotherapie, Wärmebehandlungen oder Medikamente sinnvoll. Entspannungstechniken helfen beim Abbau von stressbedingten Muskelverspannungen im Kieferbereich.


Der überwiegende Teil dieser Fehlfunktionen der Kiefergelenke kann mit konservativen Therapiemethoden bis zum vollständigen Rückgang behoben werden. Chirurgische Behandlungen bei Kiefergelenkerkrankungen sind daher mit einem Anteil von 5 % die absolute Ausnahme. Dabei haben sich minimalinvasive Verfahren wie die Kiefergelenkspülung (Arthrozentese) sowie die Arthroskopie des Kiefergelenks bewährt. Erst bei schwereren Veränderungen des Kiefergelenks kommen offene Operationen zur Anwendung.


Wie hilft der Zahnarzt?

Trifft die Schilderung dieser Problematik auf Sie zu? Viele Betroffene gewöhnen sich mit der Zeit an ihren Fehlbiss und bemerken deshalb nicht einmal, dass sie ein Problem mit ihren Zähnen oder den Kiefergelenken haben. Berichten Sie Ihrem Zahnarzt vorsorglich von wiederkehrenden körperlichen Beschwerden, damit er bei dem Verdacht auf eine CMD entsprechende Untersuchungen und Therapien einleiten kann.


In der Zahnarztpraxis Dr. Bita Farspour werden Patienten im Sinne einer umfassenden und ganzheitlichen Therapie beraten und betreut. Sollte eine Schienentherapie bei einer festgestellten CMD nicht ausreichend wirksam sein und/oder ist eine weiterreichende Bisskorrektur empfehlenswert, überweisen wir Sie an unsere naheliegende kieferorthopädische Partnerpraxis. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!